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BRUWILL Johann Gottfried
in
Berlin

1801

BIOGRAPHISCHE NACHRICHTEN.

Am 21sten April dieses Jahres starb zu Berlin der königl. Mühlenmeister und Bescheider Iohann Gottfried Bruwill, im vier und siebenzigsten Jahre seines Alters plotzlich, nachdem er noch an demselben Tage in seiner Mühle gearbeitet hatte.

Das Talent dieses stillen, sinnigen und leissigen Mannes zum Bau musikalischer Instrumente, macht ihn würdig, daís soin Name unter uns erhalten werde, obgleich dieses Talent sich langsam, spät und nur gelegentlich entwickelte.

Er war der Sohn eines Dorfküsters und gebohren im Dorfe Liebenau in Pommern im Jahr 1727. Der Prediger dieses Dorfs, Namens Crucius, wollte gern aus dem jungen Menschen einen Theologen machen, womit auch Vater und Sohn sehr zufrieden waren.

Doch dieser kam zufällig in eine nicht weit vom Dorfe gelegene Mühle, und alle schönen Hoffnungen des Vaters, der im Geist schon seinen Sohn auf der Kanzel sah, waren dahin.

Durch den Anblick eines vollständigen Apparats von scharfgeschliffenem Werkzeuge und zugleich einer wohlorganisirten Maschine, die durch menschliche Kunst zu einem bestimmten Gebrauch eingerichtet ist, wurde der Jüngling mit eins so in seinem innern Wesen berührt, dass von heute an sein ganzer Sinn darauf stand, ein Müller zu werden.

Nach einiger Zeit entdeckte er seinem Vater seine Neigung zur Müllerprofession. Dieser wollte nicht gleich einwilligen, allein der Prediger Crucius überredete ihn selber, den Trieb des Sohns nicht zu hindern und der junge Mensch ward nach Stargard in Pommern zu einem Müller in die Lebre gegeben, wo er sich durch Fleiss und stille Beharrlichkeit sehr bald die Neigung und Achtung seines Meisters erwarb.

In seinem zwanzigsten Jahre kam er als Müllergeselle nach Berlin in die sogenannte Werdersche Mühle.

Der damalige Mühlermeister, Luckfiel, fand an ihm einen tüchtigen und fleissigen Arbeiter und gab ihm im zwey und dreyssigsten Jahre seine Tochter zur Ehe, mit der er, nach ihres Vaters Tode, diese Mühlenmeisterstelle bekam.

Im Jahr 1762 wurde er mit einem Schneidermeister, Namens Ra. dicke, bekannt, der sich, aus Liebhaberey, mit dem Instrumentenbau beschäftigte.

Diese Bekanntschaft veranlasste Bruwillen, einen Flügel zu bauen, den er aber wieder zerstörte, um einen zweyten zu machen, der an Schönheit des Tons, Dauerhaftigkeit und Zierlichkeit der Arbeit, eins der allerbesten Instrumente ist und sich gans wohl neben einem Silbermannschen Flügel hören lassen kann.

Hätte sich der gute Bruwill von hier an ganz mit dem Instrumentenhau beschäftigen können; so wäre er in kurzer Zeit eiri berühmter Instrumentenmacher gewesen.

Während des Baues dieser zwey Flügel hatte ihm die Bemerkung nicht entgehen können, dass es ihm an akustischen und noch mehr, an musikalischen Kenntnissen überhaupt felile. Er hielt für nöthig, selbst spielen zu können.

Er liefs seine einzige Tochter, die indessen herangewachsen war, auf seinem neuen Flügel im Klavierspielen unterrichten; diesen Unterricht nützte er mit dazu, selbst allerhand Stücke und besonders seinen Choral spielen zu lernen und durch dies wenige bekam er eine ungemein gründliche Kenntniss einer guten Tastatur.

Nun wollte er auch die Violine und das Violoncell spielen, allein hier fand sich ein kleines Hinderniss: durch einen unglücklichen Hieb mit dem Beile hatte er, in jüngern Jahren, einen steifen Finger an der linken Hand davon getragen.

Diesen Finger machte er sich, durch eine höchst sinnreich an der Hand befestigte Feder, mit Druck und Gegendruck, so bewegsam, dass er seine Sinfonie und sein Trio damit nach seiner Art recht ordentlich abspielen konnte. Er unterhielt viele Jahre nach einander ein kleines Konzert in seiner Mühle, das aus lauter Liebhabern bestand, und dem man picht zu viel Ehre erweist, wenn es zu den besten seiner Zeit gerechnet wird.

Fünf Violinen, zwey Bratschen, ein Violoncell, ein Contraviolon und ein Flügel hatten sich Jahre hindurch so mit einander eingeübt, dass man die schwersten Bachschen, Goldberg schen und Müthelschen Konzerte, welche die Tochter des Hauses überaus rasch und präcis vortrug, hier hören und init dem Gehörten zufrieden seyn konnte.

Das Musikzimmer war eine geräumige Dachstube, worinn, durch gehöriges Verbauen und Verschaalen mit Brettern, dies kleine Orchester manchen Kenner für grosse, theuer bezahlte und misslungene Konzerte entschädigt hat. Von dein Klappern der Muhle, die sechs oder sieben Gänge hat, hörte man hier nichts und an die Erschütterung des Gebaudes wurde ein jeder bald so gewöhnt, wie an eine neue Luftart.

Bruwill's eigentliche Beschäftigung mit seiner Mühle, der er sehr treu und mit Lust vorstand -, liess ibm wenig Zeit übrig, an den musikalischen Instrumentenbau zu denken; auch konnte schon deshalb hier nicht viel werden, weil er alles, auch das kleinste, mit eignen Händen machte, denn er zog sich sogar die Saiten zu seinen Instrumenten selber, um alles auf das Vollkommenste zu haben und nichts theuer zu ihm bis in sein hohes Alter weder zu bezablen, was er seiber machen konnte.

Dem ungeachtet bauete er sich noch ein sehr hübsches Positiv mit sechs Registern und dann noch ein Klavichord, welches leztere unvollendet geblie ben ist.

Er war ein Mann von tiefer innerer Bildung; es wohnte ein Geist in ihm, der bey einer einstmaligen Explosion die herrlichsten Strahlen geworfen hätte. Er hatte einen feinen und sichern Geschmack in der Musik und wusste die besten Sachen der besten Meister ohne Vorurtheil und viele Erfahrung zu schätzen.

Obgleich er nie ein vorsätzliches Zeichen des Beyfalls oder Tadels verlohr; so konnte man doch genau an ihm bemerken, was er am liebsten hörte und spielte.

Seine einfache Rede über Musik und Instrumentenbau hatte etwas Eignes, schlechthin Ungelerntes; er batte alles in der Natur gesehn, ehe er die Namen der Dinge kannte, aber seine wenige Rede war instruktiv für jeden, der ihn zu verstehn suchte.

Ueber den unbekannten akustischen Gehalt der Instrumente hatte er ein so leises Gefühl, dass er durch das blosse Betasten einer Violine, mit vieler Sicherheit, über die Art und den Werth ihres Tons urtheilte und sich selten betrog. Nach und nach hatte er sich in langen Winterabenden eine ziemliche Anzahl guter Musikalien sehr richtig abgeschrieben, die immer von der besten, und sehr verschiedener Art waren.

Eine Musik, die blos in Noten oder Tönen bestand, konnte keinen Eindruck auf ihn machen, obgleich er alles gern börte, wenn's nur Musik war; allein eine Musik, worinn Charakter, Leidenschaft und Haltung war, konnte ihn in stille Verzückung bringen, die seine Freunde leicht an ihm bemerkten. Dann war's, als wenn er reden wollte; aber nun kannte er die Namen der Dinge nicht, und wie sich sein Herz aufthat, verschloss sich sein Mund.

In seiner Mühle durfte nichts ohne seine persönliche Gegenwart geschehen. Die gefährlichsten Handarbeiten im harten Winter, beym Los. eisen der Wasserräder, wo der geringste Fehl tritt, oder ein Ausgleiten mit dem Fusse, oft den martervollsten Tod nach sich zieht, waren Vollkommenste zu haben und nichts theuer zu ihm bis in sein hohes Alter weder zu schwer noch surchtbar.

Die wichtigsten Theile des Räderwerks machte er eigenhändig. Ein Drilling von seinen Händen aus festem weisbüchnen Holze gemacht, sah aus, als wenn er aus einem Stücke Elfenbein geschnitten wäre. Er verstand seinen Belidor und war vermögend unter allen gegebenen Umständen eine tüchtige Mühle zu bauen.

Er hat ausserdem viele kleinere Maschinen für mehrere Fabriken in und ausser Berlin gebaut, die immer glücklich von statten gingen.

In seinem häuslichen Leben war er heiter, friedlich, mässig, wohlthätig und beständig auf etwas sinnend, das eine Erfindung oder Verbeserung war. Friede sey mit seiner Asche! und wenn dies kleine Denkmal, das ihm ein viel jüngerer Freund stellt, irgend einen thätigen jungen Mann von Talenten zur Nachfolge erwecken und stärken kann; so ist sein Andenken erhalten und der Zweck erreicht. Berlin, im Monat Junius 1801." Allgemeine musikalische Zeitung, 15/07/1801, p. 693-697

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